In Zusammenarbeit mit dem Freedom Theatre Jenin in Palästina hat die Fotografin Sabine Stein ab Januar 2017 eine Workshopreihe zu den Themen Dokumentar- und Porträtfotografie betreut. Gemeinsam mit Baraa Sharqawi, Lehrkraft im Bereich Fotografie, unterrichtete sie Jugendliche und junge Erwachsene aus dem Flüchtlingslager Jenin.
Der Workshop Dokumentarfotografie fand ab Mitte Januar 2017 über einen Zeitraum von fünf Wochen statt. An dem Kurs nahmen anfangs 14 fortgeschrittene Jugendliche und junge Erwachsene teil, die bereits mit der Technik und Grundlagen der Bildgestaltung vertraut waren. Das Ziel des Kurses mit dem Titel »Conflicts« war die Anfertigung einer eigenen fotodokumentarischen Arbeit samt begleitendem Text, die zum Abschluss in einer Gruppenausstellung präsentiert werden sollte.
Nach einer geschichtlichen und spielerisch-visuellen Annäherung an das Thema wurden in kleinen Gruppen die Merkmale fotodokumentarischer Arbeit sowie verschiedene Erzählstrategien erarbeitet und praktisch geübt, wie auf verschiedene Arten mit dem umgegangen werden kann, was wir sehen. Nachdem die Grenzen der Dokumentarfotografie abgesteckt wurden, konnten eigene Themen erarbeitet werden.
Im Laufe der Wochen zeigte sich, dass der eigentliche Zeitplan doch etwas zu straff war: alle Teilnehmenden hatten – sei es aus politischen, sozialen, ökonomischen oder auch gesundheitlichen Gründen – Schwierigkeiten, regelmäßig zum Kurs zu erscheinen bzw. ihre Hausaufgaben zu erfüllen. »Ich war zudem nicht davon ausgegangen, dass es den Teilnehmenden so schwer fallen sollte, Konflikte offen zu thematisieren sowie kritische Bildideen zu entwickeln. Gerade diese Herausforderung gefiel den Teilnehmer*innen aber sehr, wie ich später erfuhr, da sie für eine andere Form der Fotografie, aber auch für ihre eigene Wahrnehmung der Umgebung sensibilisiert wurden«, berichtet Sabine Stein.
Schon nach kurzer Zeit waren deutliche Fortschritte erkennbar. Waren die Jugendlichen und jungen Erwachsenen anfangs noch sehr zurückhaltend und Diskussionen mussten in geschlossenen Räumen stattfinden, wurde zum Abschluss des Kurses lebhaft diskutiert. Die Teilnehmenden entwickelten selbstständig Ideen und setzten eigenständige, kritische Themen wie z.B. »Waiting to Return«, »Working Woman« oder »The Invasion Effects« um, die ausgestellt und somit einer breiten Öffentlichkeit zugängig gemacht wurden.
»Abschließend kann ich sagen, dass das Selbstbewusstsein der Teilnehmer*innen bzw. der Mut, Dinge durch Fotografie anzusprechen und verändern zu können, gestärkt wurde. Als Beispiel kann ich eine Teilnehmerin nennen, die unbedingt eine Geschichte über Frauen auf ihrer Arbeit anfertigen wollte (dass Frauen in Jenin arbeiten, ist eher untypisch, und ihnen dabei Beachtung zu schenken und nach Schwierigkeiten im Job zu fragen, ebenso). Sie hatte selbst bei der Ausstellungseröffnung noch mit vielen kritischen Stimmen zu kämpfen, und trotzdem war sie froh, dass wir uns dafür entschieden hatten, die Arbeit genau so umzusetzen«, so Sabine Stein.
Nach der Abschlussausstellung in Jenin wurden die Ergebnisse des Workshops im Oktober 2017 ebenfalls in Wales im Volcano Theatre Swansea sowie im Small World Theatre Cardigan präsentiert.
Der zweite Workshop, zum Thema Porträtfotografie, war für Anfänger*innen ausgeschrieben und ging über eine Dauer von sechs Monaten. Es meldeten sich so viele Jugendliche an, dass der Kurs in zwei Gruppen aufgeteilt wurde, die sich jeweils einmal die Woche trafen.
Neben praktischen und theoretischen Grundkenntnissen in Fototechnik, Bild- und Lichtgestaltung sowie Porträtfotografie, wurde auch geübt, mit den von der FREELENS Foundation finanzierten Aufhellern in verschiedenen Situationen, mit Licht, Hintergrund und Bildausschnitten umzugehen. Aufgrund des positiven Feedbacks aus dem Fortgeschrittenenkurs entschieden sich Sabine und Baraa schließlich, auch den Teilnehmenden dieses Workshops die Möglichkeit zu geben, eine eigene dokumentarfotografische Geschichte mit freier Themenwahl umzusetzen.
Mit ihrer Abreise überließ Sabine Stein ihren Lehrplan für den Kurs Baraa Sharqawi, die damit auch in Zukunft dokumentarfotografische Angebote am Freedom Theatre durchführen wird.