Ein Bericht von Juliane Herrmann, Kuratorin der Ausstellung »Facing Gender«
Vom 17. Juni bis 4. Juli 2021 war die Ausstellung »Facing Gender« im Kulturort Depot in Dortmund während des f2 Fotofestivals zu sehen. Die Ausstellung beschäftigte sich mit Fragen rund um das soziale Geschlecht und zeigte zwölf zeitgenössische, fotografische Positionen, die Rollenklischees hinterfragten, diverse Sichtweisen zeigten und soziale Strukturen rund um Gender und Identität offenlegten. Das Ausstellungsdesign von »Facing Gender« wurde mit Studentinnen des Masterstudienganges Szenografie der Fachhochschule Dortmund umgesetzt.
Zu sehen war unter anderem die Arbeit »Resistance and Rebellion« der mexikanischen Künstlerin Gabriela Alatorre. Gabriela musste aufgrund einer geschlechtsspezifischen Gewalterfahrung aus ihrer Heimat fliehen und lebt mittlerweile in Berlin. Mithilfe der FREELENS Foundation wurde ihr die Anreise zum f2 Fotofestival ermöglicht.
Vor Ort hielt sie einen Vortrag vor den internationalen Student:innen des Masterstudienganges Szenografie und nahm am Rahmenprogramm der Ausstellung Teil. So entstand unter anderem ein Video, welches einzelne künstlerische Positionen näher beleuchtet und die Ausstellung während Pandemiezeiten einem noch größeren Publikum zugänglich machte: https://www.youtube.com/watch?v=AYoqPbCXE4U&t=2s
Gabrielas Arbeit befasst sich mit Diskursen rund um kulturelle und sexuelle Vielfalt, Intersektionalität, Identitätspolitik und dem Bruch des hegemonialen kollektiven Imaginären, das die klassischen Diktate von Geschlecht und Spezies sowie die Stereotypisierung und Exotisierung von Körpern und Identitäten festschreibt.
In »Resistance and Rebellion« dokumentiert sie die »Ejército Zapatista de Liberación Nacional« (EZLN), eine autonome, indigene Widerstandsorganisation im Dschungel von Mexiko, deren kollektive Denkweise Geschlechterdiskriminierung zugunsten direkter Teilhabe hinter sich gelassen hat. Es ist der Integration von Frauen auf allen Ebenen innerhalb der Bewegung und der Anerkennung und Wertschätzung ihrer Rechte zu verdanken, dass das Gebiet der Zapatista heute frei von Femiziden ist – und das, obwohl es in einem Staat liegt, in dem tagtäglich mehr als zehn Frauen ermordet werden.
Gleichwohl richtet sich dieser Lebensentwurf nicht nur gegen hegemoniale Aspekte, die das Geschlecht betreffen, er richtet sich auch gegen Zwänge, die aus der Klassenzugehörigkeit resultieren, rassistischer Natur sind oder kolonialistisches Gedankengut betreffen. Er soll andere ermutigen, sich eine eigene Existenz aufzubauen und nicht mehr die von außen auferlegten Muster und Schemata zu wiederholen.
»Resistance and Rebellion« ist nicht das Ergebnis einer Recherche, sondern einer Reihe von Lebensumständen, die Gabriela Alatorre zur Versammlung »International Encounter of Women Who Fight« geführt hat, die von den Frauen der EZLN einberufen wurde. Gabrielas Ansatz ist ebenso politisch wie persönlich. Ein Diskurs, der durch eine schmerzhafte, geschlechtsspezifische Gewalterfahrung entstanden ist, der sich kollektiv ausdrückt und durch die sensiblen Inhalte speist, die dort entstehen, wo sich ihre eigene Geschichte mit den Geschichten vieler anderer verbindet, die nach Lösungen und der Unterstützung suchen, die ihnen die Regierung verwehrt hat. Gabrielas Blick ist nicht der Blick einer Fremden, die beobachtet und analysiert, sondern von jemandem, der im Blick seiner Gleichgesinnten die Kraft der Gemeinschaft sucht und findet. Eine Gemeinschaft, die einen annimmt, unterstützt und dazu antreibt, vorwärtszugehen