Ein Bericht von Elian Hadj-Hamdi
Syrien – ein Land versinkt in Krieg und Chaos. Bislang forderte der Konflikt geschätzte 220.000 Menschenleben, 9 Millionen Syrer*innen sind auf der Flucht, beinahe 4 Millionen davon im Ausland. Was in Syrien geschieht, gilt als die schwerwiegendste Flüchtlingskatastrophe der jüngsten Zeit.
Im Rahmen des Projekts »Amal ou Salam« fanden vom 22. bis 27. März 2015 Workshops für syrische Flüchtlingskinder in Jordanien statt. Zu dem Zeitpunkt befanden sich dort 625.598 offiziell registrierte syrische Flüchtlinge. Mit einem Alter zwischen 0 und 17 Jahren sind rund 51 % – mehr als die Hälfte dieser Flüchtlinge – minderjährig. Der Krieg hinterlässt viele Kinder traumatisiert. Sie haben gesehen und erlebt, was selbst über die Belastungsgrenze eines Erwachsenen weit hinausgeht, und nicht selten Familienangehörige, ihre Eltern und Geschwister oder Freunde verloren. Vielen Kindern fehlt psychologische Betreuung, um die Geschehnisse aufzuarbeiten.
Ein weiteres Problem der aktuellen Flüchtlingspolitik ist der fehlende Zugang zu Bildung. Viele Kinder haben seit Jahren nicht mehr regelmäßig eine Schule besucht. Das Projekt »Amal ou Salam«, zu Deutsch »Hoffnung und Frieden«, will dem entgegenwirken. Neben den regelmäßigen Workshops, die es für syrische Kinder anbietet, unterstützt das Projekt Schulen in Syrien, Jordanien und der Türkei.
30 ehrenamtliche Helfer*innen aus aller Welt boten im März 2015 ein pädagogisches Programm von Sportarten wie Yoga über Kunst und Musik bis hin zu Fotografie. Zwei Ziele standen im Vordergrund: zum einen – und das war das wichtigste – sollten die Kinder Spaß haben, ihr Umfeld vergessen und einfach wieder Kinder sein, zum anderen sollten sie in den Workshops lernen, wie sie eigenständig und auch zu Hause Stress und Frust auf kreative Art und Weise abbauen können. Im Laufe der Woche nahmen rund 750 syrische Kinder zwischen 6 und 13 Jahren an den »Amal ou Salam« Workshops teil.
Warum Fotografie? Im Laufe der Fotoworkshops sollten die Kinder den Wert und Zweck von Fotografie als Ausdrucks- und Dokumentationsmedium kennenlernen. Wir wollten ihnen vermitteln, dass sie trotz ihres Schicksals ein Recht darauf haben, die Welt mit offenen Augen zu erleben, sich an Dingen zu erfreuen, Spaß zu haben und auch traurig zu sein, und dass es wertvoll ist, diese Dinge festzuhalten.
Unser Team für die Fotoworkshops bestand aus Aziz Abu Sarah, Mitbegründer von »Amal ou Salam«, Foto- und Multimedia-Journalistin Avery Milo, Fotograf Ali Khaled Almarae und mir [Elian Hadj-Hamdi, Fotograf]. Durch unsere breite Aufstellung konnten wir in kleinen Gruppen arbeiten und den Kindern somit eine intensivere Betreuung bieten.
Da die meisten Kinder noch wenig bis keine Erfahrung mit Kameras besaßen, begannen die Fotoworkshops mit einer kleinen theoretischen Auseinandersetzung mit dem Thema Fotografie sowie einer kleinen technischen Einführung zur Bedienung einer Kamera. War die grundlegende Funktionsweise der Kameras einmal verstanden, ging es auch schon weiter mit einigen Grundregeln der Fotografie.
Schwerpunkte bildeten die Themen Licht sowie Perspektive und Komposition. Was die Kinder in jedem Fall mitnehmen sollten: Ein Foto entsteht nicht durch das alleinige Betätigen des Auslösers, sondern zunächst einmal im Kopf. Denken ist die Devise – wir möchten mit unseren Fotos etwas aussagen, und dies gelingt in der Regel am besten, wenn man sich bereits vorher Gedanken über ein Foto macht. Und am allerwichtigsten: Spaß! Alle Regeln sind dazu da auch einmal gebrochen zu werden, ähnlich wie ein*e Maler*in kann man selber entscheiden, wie ein fertiges Foto aussehen soll. Was die Kinder lernten: Es gibt immer mehr als nur eine Sicht auf die Dinge und jeder hat vielleicht eine andere Perspektive.
Auch wenn es nicht immer leicht war und an einigen Stellen improvisiert werden musste, waren die Fotografie-Workshops sehr erfolgreich. Die größte Herausforderung lag sicherlich in der hohen Anzahl der teilnehmenden Kinder und der daraus resultierenden zeitlichen Einschränkung. Dennoch, die Kinder hatten Spaß und waren auch mit dem Kopf voll bei der Sache. Von vornherein war uns klar, dass unser Ziel nicht darin bestehen würde, kleine Profifotograf*innen auszubilden. Wenn uns jedoch Kinder am Ende des Tages erzählten, dass sie später gerne Fotojournalist*in werden wollten, dann bestätigte uns das sehr in unserer Arbeit.
Die Kameras wurden dem Projekt »Amal ou Salam« für zukünftige Projekte überlassen. Als nächstes geht es voraussichtlich im August 2015 für weitere Workshops in den Libanon. Im Namen des Projekts »Amal ou Salam« bedanke ich mich herzlich bei der FREELENS Foundation für die erhaltene Unterstützung und freue mich auf weitere Zusammenarbeit bei zukünftigen Projekten.