Ein Bericht von Antonia Zennaro
Nach einigen Erfahrungen in den letzten Jahren in Konfliktländern wie Kolumbien, Afghanistan und Libyen hatte ich immer engen Kontakt mit Frauen, die entweder vergewaltigt, genötigt, geschlagen oder anderen Gewalttaten ausgesetzt waren. In diesen Ländern besetzt die Frau eine Unterrolle in der Gesellschaft und darf/kann nicht öffentlich anklagen, was ihr widerfahren ist.
Es gibt deshalb viele Frauenzentren, die versuchen, den Frauen durch psychologische Hilfe und handwerkliche Arbeiten, den Eintritt in ihr Leben zu ermöglichen. Fotografie wird jedoch selten angeboten, wo sie doch ein Mittel der Selbstheilung und des Ausdrucks sein kann. Mein Ziel war es daher, Frauen dazu zu animieren, ihre eigene Geschichte in Bildern zu verarbeiten und zu teilen. Hier ging es nicht um Fotografie als Beruf, nicht um reinen Fotojournalismus und nicht um die reine Lehre des Lichtes, sondern um eine emotionale Fotografie. Fotografie als eine Art Sprache – um über das reden zu können, was man eigentlich nicht kann und darf.
Aus Sicherheitsgründen konnte der Workshop in Libyen nicht wie geplant im Frauenhaus im Nafusa Gebirge stattfinden. Milizen hatten überall Checkpoints angebracht und die Straßen gesperrt. Das Treffen fand daher in einem Privathaus statt. Teilnehmerinnen waren fünf Frauen und ein Mädchen, die während und nach der libyschen Revolution Opfer von Gewalt geworden waren. Als ersten Ansatz sollten sie Wörter aufschreiben, welche für sie positiv sind. In der Liste kamen Wörter vor wie Familie, Libyen, Natur, blau, Poesie, Freundschaft, Harmonie, Musik, Tradition/Zugehörigkeit, Mama, Sonne oder Ich.
Nach einer kurzen Einführung in die Handhabung der Kameras und der Möglichkeiten, Gefühle mit Licht, Schatten und einfachen Symbolen auszudrücken, fingen die Frauen an zu fotografieren. Im Haus und rundherum. Damit sie sich sicher und wohl fühlten, brauchten sie einen Ort, wo wir unter uns waren. Keine Männer, keine Nachbarn – niemand, der sie in ihrem Sein stört, damit sie sich frei entfalten und bewegen können.
Die Stimmung war lustig, voller Lachen und Neugier. Ich habe mich sehr gefreut, wie frei und ohne Scheu die Teilnehmerinnen drauflos fotografiert haben. Wir haben es geschafft, in kurzer Zeit eine Intimität aufzubauen, welche dem Fluss von Worten, Gefühlen und Austausch freien Lauf gab.
Nach dem Fotografieren haben wir uns wieder zusammengesetzt und jede Frau sollte drei Fotos aussuchen, die ihre Worte aus der Liste am besten ausdrücken. Diese wurden ausgedruckt, besprochen und diskutiert. Das Beste war, dass die Fotos ohne viel theoretisches Wissen eine gewisse visuelle Stärke hatten.
Die Idee, über die Fotografie Themen wie Selbstbestimmung, Kreative Suche und Ausdruckmöglichkeit anzusprechen und einen Platz und Zeit nur für sich selbst zu finden, funktionierte. Es war eine sehr gute Erfahrung. Am Ende des Tages, der bis 21 Uhr abends dauerte, wurde viel gelacht und sogar getanzt.
Das Projekt soll weitergehen – die Frauen haben darum gebeten. Es ist wichtig, die Arbeiten einem größeren Publikum zu zeigen. Eine Ausstellung ist das nächste Ziel für 2014.
Danke für die hilfsbereite Unterstützung von der FREELENS Foundation, Peace Counts, Zeitenspiegel Agentur und Olympus.
Aufgrund der schwierigen Situation in Libyen konnte der ursprünglich umfangreicher geplante Workshop bisher nicht in Gänze durchgeführt werden. Die Fotografin Antonia Zennaro wird das Projekt aber mit Unterstützung der FREELENS Foundation fortführen.