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Fotografieworkshop im Amazonas-Regenwald

Die FREELENS Foundation unterstützte die Fotografin Sophie Allerding bei der Umsetzung eines Fotografieworkshops in einer Gemeinschaft von Flussbewohner*innen im brasilianischen Amazonas Regenwald.

Ein Bericht von Sophie Allerding

Einen ganzen Monat ver­brachte ich als Fotografin in der Flussbewohner*innen-Gemeinschaft im Nation­al­wald Cax­i­ua­nã, welch­er im Ama­zonas­beck­en auf Brasiliens größter Insel Ilha de Mara­jó liegt.

In 12 Work­shop-Sitzun­gen lern­ten die Teilnehmer*innen, mit der Kam­era umzuge­hen und die Grund­la­gen der Bildgestal­tung. Abschließend wur­den die Teilnehmer*innen bei der Real­isierung eines eige­nen Fotografiepro­jek­ts unter­stützt. Der Work­shop endete mit ein­er Grup­pe­nausstel­lung aller ent­stande­nen Pro­jek­te.

Brasilien besitzt 5.500.000 km² Regen­wald. Ent­lang der unzäh­li­gen Flüsse, die sich durch den dicht­en grü­nen Dschun­gel schlän­geln, leben die Ribeir­in­hos (über­set­zt: Uferbewohner*innen), eine tra­di­tionelle Bevölkerungs­gruppe Brasiliens, die über­wiegend selbst­ver­sor­gend und im Ein­klang mit der Natur lebt. Ihre Hüt­ten und Gemein­schaften sind nur mit Booten zu erre­ichen, denn hier sind Flüsse die Straßen.

Ama­zoniens Bewohner*innen gehören zu der ärm­sten Pop­u­la­tion Brasiliens, denn nir­gend­wo ist der Zugang zu Bil­dung und Medi­zin so erschw­ert und die Kinder­sterblichkeit so hoch wie dort. Die mas­sive Abholzung und die Verun­reini­gung der Flüsse durch die Indus­trie zer­stören den Leben­sraum und die Lebens­grund­lage der Ribeir­in­hos. Doch durch die Iso­la­tion ist es schwierig, Gehör für ihre Sit­u­a­tion zu find­en.

Blick auf Häuser der Fluss­be­wohn­er-Gemein­schaft im Nation­al­wald Cax­i­ua­nã Im Ama­zonas­beck­en. [Foto: Sophie Allerd­ing]

Fotografie ist heutzu­tage ein wichtiges Medi­um, um zu erzählen und zu bericht­en. So ist nicht nur der Zugang zur Fotografie, son­dern auch der bewusste Umgang mit ihr ein mächtiges Instru­ment.

Durch den Work­shop in der Flussbewohner*innen-Gemeinschaft San­to Anto­nio, haben die Bewohner*innen Zugang zur Fotografie bekom­men und lern­ten, welche Möglichkeit­en sie ihnen bieten kann. Ziel des Work­shops war es, mit mein­er Unter­stützung über das Leben im Urwald zu bericht­en. Im Vorder­grund ste­ht dabei die Lebensweise der Ribeir­in­hos, ihr respek­tvoller Umgang sowie ihre starke Verbindung mit der Natur, denn an dieser Lebensweise kann man sich in Zeit­en der Kli­makrise ein Beispiel nehmen.

Am Work­shop nah­men 12 Jugendliche zwis­chen 12–20 Jahren teil. Sie gehen alle noch zur Schule, müssen aber neben­bei – wie alle Bewohner*innen der Gemein­schaft – bei der Ver­sorgung der Fam­i­lie, das heißt bei der Fis­cherei oder dem Feld­bau, helfen. Da eine Teil­nahme an einem täglichen Inten­siv-Work­shop so nicht möglich wäre, fand der Work­shop nur jeden zweit­en Vor­mit­tag statt. Den­noch war es für einige nicht möglich, an jed­er Sitzung teilzunehmen – wenn es hart auf hart kommt, ist die Ver­sorgung der Fam­i­lie wichtiger als der Schulbe­such.

Es gab sechs Spiegel­re­flex-Kam­eras, die gemein­sam genutzt wur­den. In jed­er Work­shop-Ein­heit wurde sich sowohl durch einen tech­nis­chen Teil als auch durch einen kreativ­en Teil der Fotografie angenähert, dabei stand vor allem die Prax­is im Vorder­grund.

[Foto: Sophie Allerd­ing]
Das Erforschen der tech­nis­chen Möglichkeiten des Fotoap­pa­rats wurde immer begleit­et von der Frage, welche Wirkung die Ergeb­nisse auslösen und welche Möglichkeiten des Erzählens sich dadurch bieten. [Foto: Sophie Allerd­ing]

Ange­fan­gen mit Fokussieren und Aus­lösen, bis hin zu Spiel­ereien mit Langzeit­be­lich­tun­gen und Unschär­fen wur­den die tech­nis­chen Möglichkeit­en eines Fotoap­pa­rates erforscht, immer begleit­et von der Frage, welche Wirkung die Ergeb­nisse aus­lösen und welche Möglichkeit­en des Erzäh­lens sie dadurch bieten. Zum Ende jed­er Sitzung wur­den die Bilder am Com­put­er edi­tiert und eine Bil­dauswahl aus­ge­druckt.

Durch das Smart­phone ist die Self­iekul­tur auch mit­ten im Urwald eine gängige Prax­is, doch der foto­gra­fische Blick nach außen und der Trans­fer eines Bildes aus dem dig­i­tal­en Raum durch einen Druck, in anfass­bares Mate­r­i­al, war für die meis­ten eine neue Erfahrung.

Zum Ende jed­er Sitzung wur­den die Bilder am Com­put­er edi­tiert und eine Bil­dauswahl aus­ge­druckt und besprochen. [Foto: Sophie Allerd­ing]

Ver­schiedene Bild­kat­e­gorien wie Stil­lleben, Porträt und Land­schaft wur­den ken­nen­gel­ernt und in ihren Möglichkeit­en sowie in ihren Anwen­dungs­bere­ichen aus­pro­biert. So wur­den neben den kreativ­en fotografis­chen Auf­gaben auch alle medi­zinis­chen Pflanzen aus dem Gemein­schaft­skräuter­garten mit Bildern kat­a­l­o­gisiert und Auf­tragsporträts für Doku­mente ange­fer­tigt. Auch die vor­beifahren­den Hol­zladun­gen ille­galer Holzfäller, sowie die tra­di­tionellen religiösen Feiern kön­nen von nun an doku­men­tiert wer­den. Mit Fotografie kann man Szenen abbilden oder über­haupt erst erschaf­fen.

In einem Teil des Work­shops wurde auch der Sur­re­al­is­mus und die insze­nierte Fotografie ken­nen­gel­ernt und mit Bildern die ama­zonis­chen Mythen und Leg­en­den erzählt. Die Mythen spie­len bis heute eine wichtige Rolle im All­t­ag der Ribeir­in­hos, in ihnen spiegelt sich auch ihre Rela­tion zur Natur wieder. Alles, was in die Gemein­schaften kommt, wird mit allen geteilt, das gilt nicht nur für materielle Güter, son­dern vor allem auch für Wis­sen. Jede Form von Bil­dung wird sehr hoch wert­geschätzt, so haben auch neben dem Work­shop andere Dorfbewohner*innen mit dem Fotografieren begonnen und wur­den dabei von den Workshopteilnehmer*innen und mir unter­stützt.

Der Work­shop und auch die abschließende Grup­pe­nausstel­lung fan­den in der kleinen Dor­fkapelle statt. [Foto: Sophie Allerd­ing]

Nach dem Work­shop blieben eine Kam­era und der Com­put­er in der Gemein­schaft zurück, sodass sie weit­er­hin mit der Fotografie arbeit­en kön­nen. Das restliche Equip­ment ste­ht unter der Obhut des Museu Goel­di in Belém, der Haupt­stadt des Ama­zonas-Bun­desstaats Pará.

Das Muse­um Goel­di betreibt eine Forschungssta­tion im Nation­al­wald Cax­i­ua­nã und leis­tet in dem Zuge Bil­dungsar­beit in den umliegen­den Fluss­be­wohn­er-Gemein­schaften.

Wie alle öffentlichen Insti­tu­tio­nen erlei­det auch das Muse­um Goel­di eine mas­sive Kürzung des Bud­gets für Forschungs- sowie Bil­dungsar­beit. Inwieweit ihre Arbeit mit den Gemein­schaften fort­ge­führt wer­den kann, ist zur Zeit unklar, denn das Muse­um ist dafür auf Spenden angewiesen.

Für die Flussbewohner*innen ist das Bil­dungsange­bot des Muse­ums extrem wichtig und im Kampf für den Erhalt des Regen­waldes ist die Informiertheit und Teil­nahme sein­er Bewohner*innen unab­d­ing­bar.

Ohne die Unter­stützung der FREELENS Foun­da­tion wäre die Umset­zung eines Fotografie-Work­shops undenkbar gewe­sen. Das Equip­ment kann nun auch dem Muse­um in sein­er Arbeit behil­flich sein und soll vor allem für weit­ere Bil­dung­spro­jek­te genutzt wer­den. So ist bere­its ein weit­er­er Work­shop mit ein­er anderen Flussbewohner*innen-Gemeinschaft in Pla­nung und darüber hin­aus ein Buch, welch­es einen per­spek­tiven­re­ichen Ein­blick in das Leben der Ribeir­in­hos aufzeigt.